Montag, 21. August 2017

Jungpferdestart - Viel mehr als nur Einreiten


Bei jungen Pferden wird einem das bewusst, was auch bei älteren Pferden eine Selbstverständlichkeit sein sollte: Es geht nicht um Pferdetraining.
Spielerisches Lernen klingt wirklich toll aber wie kann ich meinem jungen Pferd diese Unbefangenheit des Lernens vermitteln? Die Antwort ist eigentlich ganz einfach: Indem wir selbst an unserem eigenen Horsemanship feilen und das mit erwachsenen, bzw. erfahrenen Pferden. Also zunächst von Pferden lernen, bevor wir das Pferd lehren.
Junge Pferde lernen um ein Vielfaches schneller; natürlich auch das, was mir vielleicht nicht möchten, dass sie es lernen. Deshalb ist so wichtig, dass wir die nötige Erfahrung und das Wissen mitbringen, bevor wir versuchen, junge und unerfahrene Pferde auszubilden. 

Eines meiner persönlichen Highlights bei jungen Pferden sind die vielen ersten Male und da ist es umso wichtiger, dass es eine Win-Win Situation für unsere Pferde und für uns gibt. Auch hier gilt dies auch für erwachsene Pferde und ich hoffe und wünsche mir, dass Ihr als Parelli Studentinnen und Studenten genauso süchtig nach den ersten Male mit Euren Pferden seit, wie ich es bin.
Bei jungen Pferden sind diese neuen Erfahrungen für das junge Pferd viel offensichtlicher wie z.B. das erste Mal in den Hänger gehen, das erste Mal ein Pad tragen, das erste Seitwärts, usw. Mit mehr Erfahrung seitens der Pferde und uns werden wir differenzierter: Das erste Mal in den Hänger gehen mit Phase 1 und entspannt im Hänger verbleiben können.
Das erste Mal ein Pad tragen und dabei von rechts satteln. Das Pferd kann stillstehen und entspannt sich beim Gurten.
Das erste Seitwärts auf Abstand mit Takt und Entspannung.
Differenzierter heisst, nicht auf die Aufgabe als solche zu fokussieren, sondern auf die Einstellung unserer Pferde zu der Aufgabe. 
Durch diese Differenzierung können ganz tolle erste Male auch mit unseren erwachsenen, erfahrenen Situationen entstehen.

Im Level 1 und 2 liegt der Fokus mehr auf die Aufgaben, während es ab Level 3 mehr um die Einstellung zu der Aufgabe geht und das nicht nur bei unseren Pferden. Das setzt voraus, dass wir einen Plan haben, das Wissen und die Fertigkeiten haben, diesen Plan umzusetzen und in der Lage sind, die gewünschte Einstellung zu erkennen. Junge Pferde auszubilden ist jenseits von Level 4. Das bedeutet, dass es um die Aufgabe geht UND um die Einstellung der Aufgabe.
Da ein junges Pferd unerfahren ist, ist es um so wichtiger, dass wir die notwendige Erfahrung mitbringen. Auch für den Fall, wenn es vielleicht mal nicht entsprechend Plan verläuft, damit wir eine Alternative anbieten können, ohne unseren Plan zu verlieren und doch wieder mit einer Win-Win Situation enden und unsere Pferde die Session nicht als Training wahrnehmen. 

Es geht um Prinzipien und Konzepte, die hoffentlich nicht erst in dem Moment zum Tragen kommen, wenn wir das erste Mal aufsteigen und das Pferd "einreiten". Spätestens jetzt wird klar, dass es bei Parelli JUNGPFERDESTART und nicht Einreiten heißt. Prinzipien und Konzepte vermitteln wir bereits am Boden und nehmen sie später in den Sattel. Eben viel mehr als nur Einreiten!

Dazu fehlt mir speziell ein Pat Parelli Zitat ein oder besser gesagt zwei Sequenzen aus einem Zitat: "...Prior and Proper Preparation Prevents P-Poor Performance..." und "...Practise does not make Perfect, only Perfect Practise make Perfect...". Wer das ganze Zitat lesen möchte, sollte sich nach den 45 Parelli P's erkundigen. Absolut empfehlenswert.
Diese beiden Stellen sind vor allem mit jungen, bzw. unerfahrenen Pferden unglaublich wichtig: "Eine fundierte Vorbereitung ist alles und sorgt dafür, dass die Ausführung nicht armselig ist" und "Nicht das Üben alleine ist für Perfektion verantwortlich, sondern das korrekte Üben".

Ich hatte mit meinem eigenen jungen Pferd Ludo das unglaubliche Glück, dass er als 1,5 jähriger Absetzer zu uns kam und ich so mir und ihm die Zeit geben konnte, Konzepte und Prinzipien am Boden zu etablieren um ihn so als Reitpferd vorbereiten zu können. Vor einer Woche war es soweit und es sollte sich zeigen, wie fundiert diese Prinzipien und Konzepte bei Ludo etabliert sind, denn Sam Caporn (Lizenzierter 4-Sterne Parelli Instruktor und Horse Development Specialist aus Australien) unterstützte mich beim ersten Ritt und übernahm das erste Aufsteigen und den ersten und zweiten Ritt.
Das erste Aufsteigen für den 3-jährigen Ludo ohne Sattel war traumhaft und auch der erste Ritt und Folgeritte waren harmonisch und für ihn und für ReiterIn keine unangenehme Überraschung.
Und so war der Start als Reitpferd für Ludo einfach eine Fortsetzung der Konzepte und Prinzipien am Boden die nun im Sattel weitergeführt wurden und werden.

Mein ganz bescheidener Wunsch für junge Pferde wäre, dass alle Pferde einen solchen unspektakulären ersten Ritt bekämen und so kann ich allen Jungpferdebesitzerinnen und Jungpferdebesitzern nur empfehlen, sich Hilfe von einer Person zu holen, die dieses erforderliche Wissen, die Erfahrung und Fertigkeiten mitbringt.
Denn ein Jungpferdestart ist nicht irgendetwas, er ist alles!

Freitag, 18. August 2017

Natural Horsemanship und Floskeln. Heute: HARMONIE

Wenn etwas besonders viel Anklang findet, ist es leicht, dass Floskeln entstehen. Fast jede(r) macht ja  heutzutage "Natural Horsemanship". Das heißt aber nicht, dass Natural Horsemanship auf das Equipment reduziert werden kann. Vielen ist nicht bewußt, dass es ein seriöses Handwerk ist und wie bei jedem Handwerk gibt es Auszubildende, Gesellen und Meister. Horsemanship ist wie die Herstellung eines guten Käses: Es braucht Wissen, das Bedürfnis an sich selbst zu arbeiten, die Bereitschaft immer mehr Wissen aufzunehmen und nicht zuletzt die Fertigkeiten, die ich durch Üben verfeinert werden kann, damit daraus Erfahrung entstehen.
Spätestens jetzt wird einem klar, dass die Werkzeuge wichtig sind, aber nur einen geringen Teil für den Erfolg mit unseren Pferden und in unserer Horsemanship Reise ausmachen.

Wer ein bisschen weiter denkt, merkt schon, dass dies ein lebenslanges Studium ist, eine Kunstform. Eine, in der Abkürzungen oder "Schnelllösungen" keine Platz haben.

Am 3-Tage Kurs mit Sam Caporn, lizenzierter 4-Sterne Parelli Instruktor und Horse Development Specialist aus Australien beim Horsemanshipcenter nördlich von Berlin sollten wir Teilnehmerinnen erleben, was Harmonie mit unseren Pferden bedeutet. Egal auf welchem Niveau wir uns befinden oder anders gesagt, in welchem Stadium unserer handwerklichen Ausbildung wir gerade sind.

Wie so oft bei seriösem Horsemanship war die Technik der kleinste Teil. Sicher etwas, an dem jeder Horseman immer und immer wieder feilen kann und sollte, aber nicht der wichtigste Teil unseres lebenslangen Studiums. So ging es z.B. darum mit unseren Equipment effizienter und vor allem klarer umzugehen. Das klingt sehr einfach, zumal wir am Boden gerade mal von drei Bestandteilen sprechen: Knotenhalfter, Seil und Stick mit Seilchen. Aber etwas was simpel scheint, heißt nicht, dass es einfach umzusetzen ist.
Sam erklärte uns dazu den Begriff "positional truth". Ein Konzept, welches er mit Neil Pye (ebenfalls aus Australien) vor kurzem besprochen hatte. Der Begriff erklärt sich fast von selbst und gemeint ist das Bewußtsein, wo wir z.B. unser Equipment benutzen. Die Position hat eine Auswirkung auf unser Pferd -egal ob erwünscht oder nicht-. Deshalb ist es so wichtig, dass wir uns dessen bewußt sind. Denn sonst wird natürlich aus einer "positional truth" eine "positional lie".
Immer wieder die Ermahnung an sich selbst zunächst natürliche Hilfen wie Körperenergie und Körpersprache zu nutzen, bevor wir künstliche Hilfen (Seil, Stick) nutzen. Denn die künstlichen Hilfen sind letztendlich nur eine Erweiterung unserer natürlichen Hilfen, nicht aber vorrangig.

Alleine dieses Beispiel zeigt wieder einmal, dass es bei Parelli Natural Horsemanship vor allem darum geht, uns selbst zu schulen und nicht unsere Pferde. Sind wir bereit, an uns zu arbeiten? Dann sind wir auch bereit für Parelli Natural Horsemanship.

In den Savvys On Line, Liberty und Freestyle unterstützte Sam uns mit Konzepten. Konzepte sind levelübergreifend und so paßte jedes Konzept für jedes Pferd/ Mensch Paar, denn Konzepte sind erweiterbar und können auf ein neues Niveau gebracht werden. Wie auch eine Pferd/ Mensch Beziehung erweitert werden kann und das partnerschaftliche Niveau mit Wissen und Erfahrung angehoben wird. Je weniger Missverständnisse es bei der Beziehung mit unseren Pferden gibt, desto harmonischer ist unsere gegenseitige Beziehung.
So war es auch nicht verwunderlich, dass es darum ging, dass wir an uns, an unserer "positional truth" arbeiten.

Ein weiteres Konzept war unserer Körperenergie geschuldet. Wie bewußt gehen wir damit um. Sam definierte dies mit AKTIV (Active)- NEUTRAL (Neutral) - BEENDEN (Quit). Was davon möchten wir gerade vermitteln und sind wir uns bewußt, was wir davon vermitteln. Spätestens hier war den Teilnehmerinnen bewußt, dass das eigene Kommunikationsrepertoire reduzierter oder/ und weniger abgegrenzt oder/ und weniger einem Plan folgt.

Am Ende des Kurses war klar, dass durch die Einhaltung der Konzepte die Harmonie ein Ergebnis der klaren Konzepte ist. Es wurde also u.a. Harmonie erreicht, ohne dass an Harmonie "gearbeitet" wurde. Oder anders gesagt, für Harmonie mit unseren Pferden sind wir selbst verantwortlich.

Seriöses Horsemanship ist eben viel mehr als nur ein Knotenhalfter anzuziehen und Stick und Seil zu schwingen und ein seriöser Horsemanship Instruktor unterrichtet viel mehr als die sieben Spiele, ist selbst eine lebenslange Studentin/ ein lebenslanger Student, die ihr/ der sein Wissen und Handwerk ständig durch Erfahrungen erweitert und weitergibt.

Sandra Gockenbach und Klaudia Duif freuen uns darauf, diese erlernten Konzepte weitergeben zu können und freuen uns auf ein Wiedersehen mit Sam Caporn.